Geschafft. 400 Kilometer. Schleswig-Holstein. Dänemark. Ostwind.
Ich will dann mal so halbwegs chronologisch berichten, wie ich diese tolle, tolle Tour erlebt habe.
Den Zeitplan konnte ich ziemlich gut einhalten, sowie ich es in der Planung beschrieben hatte.
Dienstag früh um 0:00 Uhr am 01.10.2013 war also der Start. Aber halt, der vorangegangene Montag ist auch noch erwähnenswert. Eigentlich ging ich davon aus, dass ich am späten Nachmittag/frühen Abend noch einige Stunden ein Nickerchen machen würde. Pustekuchen, ein knappes Stündchen, mehr gestattete die Aufregung nicht …
Am Vormittag hatte ich noch die Familie zum Flughafen gebracht, für sie stand 5 Tage Mallorca auf dem Plan (die wohl auch ganz toll waren!). Am frühen Nachmittag dann noch eine kurze Testrunde um zu schauen, ob mit dem Rad alles ok ist. Es war alles perfekt, ich liebe das Rad, es passt mittlerweile nahezu perfekt zu mir!
Testfahrt mit dem veloheld.icon
Eine Stunde vor der Abfahrt habe ich mich dann umgezogen. Was hatte ich denn nun alles für die angesagten 4-15°C an? Von unten nach oben: Socken, Rennradschuhe, Neoprenüberschuhe, Knielinge, kurze Rennhose, Ärmlinge, dünnes Langarmshirt, Kurzarmtrikot, Windjacke, Reflexgurt, Buff, Cap.
Klamotten obenrum
In den Trikottaschen waren diese Dinge verstaut: Akkupack, 2 Kabel für GPS und Handy, Luftpumpe, Werkstatt-Sack mit Multitool, Ersatzschlauch, CO2-Kartusche, Flickzeug, Geld, EC-Karte, HVV-Fahrkarte, Haustürschlüssel, 2 Energie-„Bomben“ und eine Tüte mit Pumpernickel-Talern.
Socken und Trikot mit Füllung
In der Tasche der Windjacke steckte das Handy. Am Rad waren 2 Trinkflaschen, gefüllt mit Pfefferminztee, 2 Rücklichter (eins als Backup), am Lenker zwei Scheinwerfer und das GPS, unterm Vorbau der Akku für die Scheinwerfer.
Das war’s an Ausrüstung. Das war nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig. Wobei ich glücklicherweise das Flick- und Werkzeug gar nicht brauchte. Ach, doch: Nach ca. 17km habe ich tatsächlich noch den Steuersatz etwas fester eingestellt. Fragt mich nicht, ob ich das bei der Testfahrt übersehen habe oder ob er sich tatsächlich auf der Kopfsteinpflasterstrecke kurz vorher gelockert hat?!
Vor den ungefähr sieben Stunden in der Dunkelheit hatte ich ja zugegebenermassen ein wenig Schiss. Den ein oder anderen Nightride habe ich schon gemacht, aber nie so lang …
Und ich wusste, dass ich durch einige ziemlich dunkle Ecken kommen würde. Nun, am Ende war’s doch nicht so wild, meine Scheinwerfer waren ziemlich gut, ich habe immer genügend gesehen. Leider nicht genug um die vermutlich schöne Gegend zwischen Itzehoe und dem Nord-Ostsee-Kanal bei Grünental wahrnehmen zu können. Aber zumindest die Streckenführung und den Straßenbelag habe ich von dort als bestens in Erinnerung!
Querung der Stör bei Itzehoe
Wacken. Ein paar Wochen vorher war’s hier wohl lauter.
Nach 4,5 Stunden und knapp 110 Kilometern wurde mir dann etwas kalt (vor allem in den Niederungen, wo ab und an Nebel aufzog) und ich verzog mich für eine kurze Pause in ein „EC-Hotel“ – der schön gewärmte Vorraum einer Bank mit dem EC-Automaten in Tellingstedt. Diese werden auf längeren Brevets wohl auch gerne mal für kürzere Schlafpausen genutzt, daher der Spitzname. Keine 10 Minuten später war ich aber schon wieder unterwegs, die Wärme hat mich eingelullt – und einschlafen wollte ich dann nicht!
Im EC-Hotel
Kurz vor Friedrichstadt dann über die Eider, es war mittlerweile 5:30 Uhr und ganz langsam erahnte ich am Horizont die aufgehende Sonne, die ich so langsam ziemlich herbeisehnte. Licht und etwas Wärme brauchte ich endlich!
Querung der Eider bei Friedrichstadt
Eine Stunde später war ich in Husum und freute mich, dass das Tine-Café direkt am Hafen bereits geöffnet war. So kam ich zu zwei Croissants, einem großen Kaffee und einer guten halben Stunde Pause im Warmen.
Frühstück in Husum
In Husum, nach 6,5 Stunden und 150 km
Weiter ging die Fahrt gen Norden, mittlerweile hatte auch endlich die Dämmerung eingesetzt. Was mit wohl gleich verwirrte, bzw. meinem Blick vom GPS ablenkte, so dass ich kurz hinterm Abweig nach Nordstrand nach Hattstedt abbog, wo ich eigentlich gar nicht hinwollte. Nach 2 Kilometern bemerkte ich meinen Irrtum und drehte um.
Einige Kilometer ging es jetzt immer hinterm Nordseedeich entlang, was war das schön da!
Am Deich
Es wird hell über der Nordsee!
Es gibt ja viele Leute, die da oben verzweifeln würden. Unendlich lange Strecken, immer vorbei an Äckern und Weiden. Ich finde es großartig! Und noch machte mir der vorherrschende Ostwind nicht wirklich etwas aus … Das sollte sich noch ändern.
Aber vorerst erfreute ich mich an der Sonne.
Schattenspielchen. Immer gerne genommen
Da ist sie!
Nach knapp 10 Stunden und 214 Kilometern war ich an meinem Zwischenziel angelangt, der deutsch-dänischen Grenze. Ziemlich unspektakulär, aber ich war doch ein wenig enttäuscht, dort keinen Danebrog im Wind flattern zu sehen. :-(
Grenze
Altona und Dänemark. Passt.
Ich für dann noch einen kleinen Haken durch Dänemark und kam durch Højer, einem Städtchen, dass ein wenig stolz auf seine Pølser ist. Ist habe aber dort nichts gegessen, ich weiß auch nicht, warum. Ein Hot-Dog in Dänemark hätte doch schon drin sein dürfen. Naja, beim nächsten Mal dann!
Windmühle in Højer
An der etwas größeren Grenzstraße gab es dann auch wieder die bekannte skandinavische Beflaggung. Schön!
Hach, Skandinavien
Jetzt ging es für mich hauptsächlich in süd-östlicher Richtung weiter und das bedeutete: ordentlich (Seiten-)Wind die Geschwindigkeit ging zurück, aber das lang natürlich nicht alleine am Wind, Müdigkeit und Erschöpfung trugen auch genug dazu bei.
Auf langen geraden Straßen
Endlos
ging es weiter nach Leck, wo ich nach gut 12 Stunden und 250 Kilometern ein weitere Bäckerpause einlegte.
2. Frühstück in Leck
Mittlerweile etwas gezeichnet
Da meine Vorräte in den Trikottaschen mittlerweile auch aufgebraucht waren, habe ich mich noch im Supermarkt mit Süßkram und Wasser versorgt.
Lange konnte und wollte ich aber nicht pausieren, auch weil ich noch erwartet wurde.
Mal wieder eine Windmühle
Idyllisch
Jens hatte von meiner Tour erfahren und war gerade in der Gegend. So hatte er sich angeboten, mich ein Stück zu begleiten. Verabredet waren wir in Kropp, doch ich war zu langsam, dass er mir noch etwas weiter entgegen kam.
50 kurzweilige Kilometer waren wir dann gemeinsam unterwegs. Für Jens war es wohl etwas langweilig, was das Fahren anging. Normalerweise ist er etwas schneller unterwegs. Wer die Möglichkeit hat, mal mit ihm zu fahren – macht das! Er fährt wunderbar umsichtig und rücksichtsvoll. Für mich war es spannend zu sehen, wie viel gleichmässiger ich plötzlich fuhr. Wenn ich alleine bin, ist das alles viel unrhythmischer und nicht nur, weil ich dauernd für irgendwelche Photos anhalte.
Lustig übrigens, dass ist auch schon bei meiner letztjährigen
Tour nach Berlin ähnliche Unterstützung erfahren habe – damals hatte hatte mich
Georg begleitet.
Nett, wie die Jungs mich „alten Herren“ unterstützen. Danke nochmals!
Die Fähre Breiholz brachte uns dann über den Nord-Ostsee-Kanal, da konnte ich dann sogar noch ein Photo machen. :-)
Warten auf die Fähre gemeinsam mit Jens
Lange dauert die Fahrt über den NOK ja nicht
In Hohenwestedt drehte Jens dann ab und ich hatte mittlerweile 365 Kilometer geschafft. Nur noch 35 Kilometer bis zur magischen Grenze! Da es mittlerweile aber auch schon kurz nach 17:30 Uhr war, wurde mir bewusst, dass ich es so nicht mehr im Hellen auf dem Rad bis nach Hause schaffe. Das wäre noch rund 50 Kilometer geworden, bei meiner Geschwindigkeit mindestens 2 Stunden Fahrzeit. Da ich nicht mehr richtig Lust auf weitere Fahrerei im Dunkeln hatte, plante ich um und steuerte Bad Bramstedt an, wo ich in die AKN steigen konnte.
Die Schleswig-Holstein-Flagge. So ein schönes Land!
Hätte ich gewusst, wie wellig die paar Kilometer das Bad Bramstedt werden, hätte ich mich vielleicht doch noch für die Dunkelheit entschieden … Die 200 Höhenmeter waren zwar nicht unbezwingbar, aber flacher hätte mir auch gut in den Kram gepasst.
Abgeerntetes Feld in der Dämmerung
Bald geschafft. veloheld.icon
Egal, geschafft habe ich es, nach gut 19 Stunden stand ich in Bad Bramstedt am Bahnhof! Mein Garmin zeigte 400,8 Kilometer. YEAH!
Endstand
16 Stunden reine Fahrzeit und dazu noch gute 3 Stunden für Pausen und Photostopps. Da ist noch Potential drin! Andererseits bin ich damit auch sehr gut in meinem selbstgesteckten Zeitrahmen geblieben. Ich hatte mir für 400 Kilometer 20 Stunden vorgenommen. Die Selbsteinschätzung hat gut gepasst! Und bezüglich der
offiziellen Zeitlimits bei Brevets bin ich doch auch deutlich auf der sicheren Seite. Da hätte ich bis zu 27 Stunden für die 400 Kilometer benötigen können.
Es war eine nahezu perfekte Tour, was Planung, Wetter und Ablauf anging. Wirklich falsch habe ich nichts gemacht, meine Ausrüstung war passend. Ich war am Ende auch nicht „am Ende“, bin also mit meinen Kräften sinnvoll umgegangen. Deshalb bin ich mir auch sicher, dass weitere lange Touren folgen werden. Mal schauen, wie ich darüber befinden werde, wenn ich mal stundenlang durch Regen gefahren sein werde …
Strom hatte ich genügend dabei, GPS und Handy waren immer betriebsbereit. Die beiden Frontscheinwerfer habe ich nie gemeinsam genutzt, einer alleine war immer mehr als ausreichend hell. Beide zusammen hätten vielleicht zuviel Strom verbraucht, so dass ich irgendwann nur noch mit der geringeren Leuchtkraft unterwegs gewesen wäre. Das wollte ich doch gerne vermeiden. Bei der nächsten Tour ist dann vielleicht ein zweiter Akku für die Scheinwerfer dabei, dann ist das auch kein Problem mehr.
Woran ich arbeiten „muss“?
Es wäre bestimmt sinnvoll, konstanter zu fahren. Eigentlich müsste ich so was mit dem Fixie fahren. (Nein, so verrückt bin ich dann doch noch nicht!) Ich lasse zu gerne einfach mal die Beine hängen, wenn’s rollt anstatt da einfach weiter Druck zu machen.
Und ich muss an Anstiegen besser werden. Eine lange Tour in hügeligem Gebiet würde mich ziemlich schnell viel näher an meine Grenze bringen, da bin ich mir sicher.
Jetzt habe ich aber erst mal meine Grenze wieder etwas weiter verschoben und ich weiß, dass ich damit in den nächsten Jahren gerne fortfahren möchte!
Hier noch die ganze Tour bei Strava:
Nur echt mit der Salzkante